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Zwei Antworten

Auf die Frage, was das größte Unglück sei, habt ihr, Damen und Herren, die
ihr im FAZ-Magazin den Fragebogen, den schon Marcel Proust ausfüllte, ausfülltet,
allerlei Kluges und beinahe Richtiges geantwortet, Krieg, Folter,
unschuldige Verurteilung nanntet ihr als größtes Unglück, aber
das tatsächlich Schlimmste hab ich noch in keinem FAZ-Fragebogen gefunden,
deshalb nenne ich´s hier. Das tatsächlich Schlimmste ist dies:

daß immer dann, wenn man im Flur seiner Wohnung die Beläge auf den V-Brakes
des Mountainbikes wechselt und gerade Unterlegscheibe, Außenkonus,
Innenkonus auf der Innenseite, Unterlegscheibe, Außenkonus, Innenkonus auf
der Außenseite aufgefädelt hat und alles von beiden Händen vorsichtig in
eine einzige Handspanne übergibt, um mit der freien Hand die kleine Mutter
vom Boden zu fischen und feinfühlig gegen den labilen Widerstand der
gespannten Hand aufzudrehen – daß just in diesem Moment, und zwar immer nur in
diesem Moment, zu keinem anderen Zeitpunkt sonst käme er auf die Idee, daß just in
diesem Moment der Paketbote an der Wohnungstür klingelt, um ein Paket für Frau Britta
Bachmann aus dem Dritten Stock ersatzweise bei mir zuzustellen, und die lautstark aus
der CD-Anlage dröhnende Götterdämmerung, die sich als Hintergrundmusik für
feinfummelige Schraubarbeiten am besten bewährt hat, kein Wunder, da ja schon Kühe
bei Wagnermusik bessere Milchquoten erzielen sollen, also diese Musik zum Zeichen
nimmt, daß Herr Betz zuhause und somit zur Ersatzzustellung prädestiniert sei, und wieder
und wieder so lautstark klingelt, daß man, entnervt, just vor Bewältigung der rettenden ersten
beiden Umdrehungen der Schraubenmutter, den neunteiligen Kladderadatsch fallen läßt in
die diversen umstehenden Werkzeugbehälter, aus denen man fünf Minuten später alles wieder
zusammenzusuchen nicht mehr zu bewältigen vermag –
das größte Unglück fand ich im FAZ-Fragebogen nie aufgeführt.

Auf die Frage, was das größte Glück sei, habt ihr, Damen und Herren, die ihr
im FAZ-Magazin den Fragebogen, den schon Marcel Proust ausfüllte, ausfülltet,
allerlei Kluges und beinahe Richtiges geantwortet, Liebe, Kornblumenblüte,
sensible Gespräche mit Freunden nanntet ihr als größtes Glück, aber das
tatsächlich Größte hab ich noch in keinem FAZ-Fragebogen gefunden, deshalb
nenne ich´s hier, das tatsächlich Schönste ist dies:

daß immer, wenn man to-tal durstig nach Stunden to-talen Durstigseins eine
Flasche sauren Sprudels ansetzt – für alle, die nicht aus dem
Württembergischen stammen: saurer Sprudel ist ein Seltersgetränk ohne
Aromazusatz, und zwar keins in einer jener neuen sanftsprudelnden Versionen
namens Medium, sondern in einer starksprudelnden, heutzutage Classic genannt
– daß immer, wenn man to-tal durstig nach Stunden to-talen Durstigseins eine
Flasche sauren Sprudels ansetzt: dieses saure Sprudeln die Kehle schon nach
wenigen Schlucken derartig beizt, daß, vergleichbar der elektrischen
Selbstinduktion, neben der Haupt-Treibkraft, sich weiteres Getränk
einzuflößen, eine Gegen- und Bremskraft entsteht, gipfelnd in dem Wunsche, die
Flasche zwischenzeitlich abzusetzen – sodaß aus dem Wettstreit der beiden Kräfte
auf dem Wege der allmählichen Durstvernichtung eben jenes genußverlängernde
Wechselspiel aus Streckenbewältigung zur vollkommenen Befriedigung und
vorzeitigem Abstoppen, neuerlicher Streckenbewältigung und neuerlichem Abstoppen
gelingt, das bei allen anderen zielgerichteten Genußwegen nie in dieser ausgewogenen
Vollkommenheit vorzufinden ist  –

freilich, um größtes Glück und größtes Unglück aufzuführen, dafür war im
FAZ-Fragebogen immer etwas wenig Platz vorgesehen.

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